Bäume und Gehölze,  Gärtnern

Die richtige Schnittführung….. wo säge ich ab?

Und weiter geht es mit dem Schwerpunktthema Baum……

In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Baumpflege sehr viel verändert. Es ist viel geforscht worden, und mittlerweile steht der Baum mit seinen natürlichen Reaktionen und seiner Selbstheilung dabei im Mittelpunkt.

Der Forstwissenschaftler Alex Shigo aus den USA entwickelte in den 90er Jahren ganz neue Methoden und brachte so viele zum Umdenken.
Damals sprachen wir noch von Baumchirugie.

  • Wunden wurden ausgeschabt, geglättet und mit Baumwachs zugeschmiert,
  • Faulhöhlen wurden tief ausgeschnitten und oft wurden dann Entwässerungsrohre eingebaut,
  • hohle Stämme wurden zur Stabilität mit Beton ausgegossen.

Äste wurden parallel zum Stamm abgesägt, egal ob groß oder klein. Bei der dadurch entstandenen starken Kallusbildung ging man davon aus, dass sie für den Baum gut ist.
Allerdings stellte sich nach einiger Zeit heraus, dass der Baum nicht in der Lage war, mit dieser starken Verletzung fertig zu werden.
Dann wurde der Schnitt an der schmalsten Stelle des Astes gemacht.
Auch das brachte nicht den gewünschten Erfolg.

Hier könnt ihr so einen Schnitt sehen. Der Baum ist nicht in der Lage, die Verletzung gut zu versorgen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es zur Fäulnis kommt. Und im unteren Teil kommt es schon zu einem Versorgungsschatten.

Das passiert nicht nur bei Bäumen, sondern auch bei Gehölzen:

Das ist übrigens bei uns im Garten. Und falsch gesägt……. habe ich selber.
Die Rinde war zum Teil schon abgestorben und Kellerasseln machten es sich darunter gemütlich.
Ich habe dann das überstehende Holz abgesägt, was gar nicht so einfach war.

Mittlerweile sieht es ganz gut aus. Und ich habe die Hoffnung, dass die Koelreuteria damit klar kommt.

Und genau so etwas hat Alex Shigo beobachtet. Er ist in die Wälder gegangen und hat sich die Bäume genau angeschaut.
Was macht ein Baum, wenn er durch Sturm eine Verletzung bekommt?
Wie reagiert er, wenn ein Ast nicht mehr gut versorgt wird?

Ich finde das sehr spannend und bin dann mit offenen Augen durch den Wald gelaufen, immer auf der Suche nach solchen Dingen.
Da ich wusste, wo nach ich suchte, bin ich auch fündig geworden.
Bäume bilden z.B. einen Abschiedskragen, wenn ein Ast abstirbt.

Der Astring besteht aus Stammholz und ist in der Lage, den seitlichen Ast abzustoßen. Das kann passieren, wenn die unteren Äste nicht mehr genügend Licht bekommen. Es ist eine ganz natürliche Vorgehensweise des Baumes. Dadurch entwickelt sich dann der Abschiedskragen. Wenn der Ast dann irgendwann abfällt, entsteht so kaum eine Verletzung.
Deshalb sägen wir, im Fachjargon ausgedrückt, auf Astring.
Die Schnittstelle liegt genau hinter dem Astring.

Astringe sehen bei jedem Baum immer etwas anders aus. Hier habe ich gekennzeichnet, wo ihr absägen solltet. Auf keinen Fall darf der Astring dabei verletzt werden.
Genauso schlecht ist es, „Kleiderhaken“ stehen zu lassen……

Die werden auf jeden Fall faulen und den Baum oder das Gehölz schädigen.

Wichtig!!! Vor jedem Schnitt immer erst einen Entlastungsschnitt machen.

Als erstes von unten den Ast anschneiden und dann in einiger Entfernung vom Baum weg absägen. Sonst kann es passieren, dass der Ast durch sein Gewicht vorzeitig abreißt. Und dadurch würde die Rinde am Stamm beschädigt werden.

Einige von Euch haben sicher schon gesehen, dass bei der Haselnuss kein Astring zu sehen ist. Stattdessen hat er eine Astrindenleiste.
Das ist die Nahtstelle zwischen Stamm- und Astholz. Es macht die richtige Schnittführung etwas schwieriger.
Dazu gibt es auch verschiedene Meinungen. Shigo empfiehlt den Mittelweg.

Erst 1. und 2. und dann bei „C“ absägen. Den Astring nicht verletzen und bei „C“ erst ein wenig von unten ansägen, damit die Rinde nicht reißt.

Wie wird geschnitten wenn ich Äste einkürzen muss?
Zum Beispiel beim Kronenschnitt?
Die Natur ist unser Vorbild…..

Diese Eiche konnte den unteren Teil des Astes nicht mehr richtig versorgen, vielleicht weil er nicht genug Sonne bekam.
Damit nicht der ganze Ast abstirbt, schickte sie ihre Nahrung in einen, nach oben zeigenden, Nebenast. Der übernimmt im Laufe der Zeit die Funktion des Hauptastes und wird immer stärker. Irgendwann wird der untere Ast abbrechen, ohne dass die Eiche Schaden nimmt.

Dieser nach oben zeigende Ast wird Zugast oder ableitender Ast genannt. Dieses Wissen wenden wir im Baum- und Gehölzschnitt an.

Hier bei einem fachgerechten Kronenschnitt

Wichtig!!
Der Durchmesser des Zugastes sollte mindesten 1/3 des eingekürzten Astes an der Schnittfläche betragen.

Das gilt auch für Gehölze

Wann ist der beste Schnittzeitpunkt?
Das ist oft unterschiedlich.
Im Frühjahr, wenn der Saft in den Bäumen hochsteigt, würde ich nicht schneiden.
Ich habe zwar noch keinen Baum verbluten sehen, aber zu sehen, wie die ganze Nahrung für den Baum einfach rausläuft…… ist kein schöner Gedanke.
In der Vegetationszeit, wenn die Bäume und Gehölze aktiv sind, können sie am besten auf die Schnittwunden reagieren. Auch kann ich dann Totholz besser erkennen. Allerdings sehe ich wegen der vielen Blätter den Habitus nicht so gut.

Ein Winterschnitt fördert das Wachstum und ein Sommerschnitt bremst das Wachstum.

Warum ist das so?
Die Bäume und Gehölze lagern zum Herbst Nährstoffe in den Wurzeln ein, die im Gleichgewicht zur Krone stehen. Nehme ich der Pflanze im Winter Äste weg, wird sie im Frühjahr versuchen, das auszugleichen, in dem sie schlafende Knospen weckt. Dadurch entstehen viele neue Triebe, wie zum Beispiel die Wasserschosse beim Apfelbaum.
Habe ich einen Baum / Gehölz, welches nicht gut wächst oder vergreist ist, kann ich mir das Wissen zu Nutze machen.
Durch einen starken, artgerechten Rückschnitt im Winter rege ich neuen Austrieb an. Die Pflanze wird wieder vital und wüchsig.
Gelingt leider nicht immer, ist aber eine gute Alternative. Bevor ich mich von dem Baum oder dem Gehölz trenne, weil es nicht gut wächst, kann ich das ausprobieren.
Anders herum kann ich Pflanzen, die sowieso stark austreiben, wie z. B. die Blutpflaume, besser im Sommer schneiden. Dadurch hemme ich den starken Neuaustrieb.
Wann? Am besten nach Johanni (23. Juni). Das ist ungefähr der Zeitpunkt, an dem der junge Austrieb abgeschlossen ist und das Dickenwachstum beginnt.
Bis zur Einlagerung der Nährstoffe hat sich der Baum dann an die fehlenden Äste gewöhnt.
So kann ich Bäume und Gehölze gesund halten. Und das wollen wir ja…..
gesunde Pflanzen im Garten.

Ein Wort noch zum Baumwachs. Ich habe von meinem Vater gelernt: Alles, was größer als ein 5 D-Mark Stück ist, wird mit Baumwachs verstrichen.
Das ist schon eine Weile her…….
Mittlerweile wurde festgestellt, dass sich Pilze unter Baumwachs pudelwohl fühlen. Deshalb verstreichen wir die Wunden nicht mehr.
Manchmal wird bei sehr großen Schnittflächen der Rand etwas verstrichen…. mehr nicht.

Ich hoffe, dass ich alles verständlich erklärt und nichts vergessen habe.

Wenn euch noch etwas unklar ist, könnt ihr mich gerne fragen.
Ich freue mich über jeden Baum und jeden Strauch, der gesund weiter wachsen darf.

2 Comments

  • Conny Schoemaker

    Hallo und vielen Dank für diesen hilfreichen Artikel!

    Das Bild mit der falschen Schnittführung, aus dem dieser Absatz resultiert ist, kommt mir total bekannt vor. Wir haben vor 2 1/2 Jahren bei einer Gärtnerei eine ca. 3 bis 3,50 m große Gleditschie gekauft, die sollte durch Kappung bzw. Ableiten des Leitastes durch die Baumschule wohl zu einer Schirmform angeregt werden. Hier ist leider auch so ein Absatz zu sehen, vielleicht sogar noch ein bisschen ausgeprägter. Das Holz ist auch etwas gesplittert und die Rinde drum herum und v.a. darunter aufgeplatzt. Möglicherweise hat sie als auch schon einen Versorgungsschatten…? Mir war das Thema bislang nicht geläufig (bin auch Gartenneuling) und die Gärtnerei meinte, der Schnitt wäre kein Problem für den Baum. Da wusste ich aber auch noch nicht so viel über das Thema…
    Im Übrigen glaube ich inzwischen sowieso, dass das Vorhaben zum Scheitern verurteilt war, wenn ich mir unsere zweite Gleditschie daneben so anschaue, die wir vor einem halben Jahr neu gepflanzt haben und die nicht kastiert wurde. Im Vergleich dazu neigt die erste noch viel stärker zum Überkreuzen der Äste, sogar Hauptäste, die auch teilweise aneinander reiben.

    Jetzt drängen sich natürlich Fragen auf:

    1) Ist jetzt Mitte Februar ein guter Zeitpunkt, den falschen Schnitt (knapp Utnerarm dick) zu korriegieren bei der Gleditsche?

    2) Wie gehe ich mit den sich überkreuzenden Ästen um? Bei den aneinander scheuernden Hauptästen habe ich einen Korken dazwischen geklemmt, was sicher keine Dauerlösung ist… Kann man da durch Binden o.ä. was erreichen oder muss einer weg? Das wäre schon hart, aber schließlich wollen wir sie noch viele Jahre gesund wachsen lassen.

    3) Sollte man bei der Gleditschie evt. generell frühzeitig durch Schnitt künftige Probleme sich überkreuzender und reibender Äste vorbeugen?

    Ich bin übrigens bei Campus Botanicus zu den beiden kommenden Vorträgen angemeldet. Solange möchste ich aber nicht unbedingt warten, zumal ich gelesen habe, dass Gleditschien auf keinen Fall im Frühjahr geschnitten werden sollen. Und das kann recht schnell kommen, v.a. hier an der Pfälzer Weinstraße…

    Fotos kann ich natürlich auch genre per Mail schicken ;o)

    Vielen Dank schonmal vorab und viele Grüße aus der Pfalz ins Münsterland
    Conny

    • Barbara

      Hallo Conny,
      ohne den Baum zu sehen kann ich da nicht sehr viel zu sagen. Fotos wären da sehr hilfreich.
      Generell sollte man die Bäume immer im Blick haben um frühzeitig so schonend wie möglich einzugreifen.
      Eine Kastenform bei Gleditsia halte ich nicht für sinnvoll. Dazu macht sie viel zu lange und sperrige Triebe.

      Viele Grüße
      Barbara

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