Gartenportrait,  Unterwegs

Ernst Pagels – unbekannt und weltberühmt Teil 1

Eins werde ich mein Leben lang bedauern – ich hätte ihn kennenlernen können.
Als junge Gärtnergesellin habe ich von 1979 bis 1981 in Wiesmoor und in Westerstede gearbeitet – ein Katzensprung bis Leer. Aber Stauden haben mich damals noch nicht so interessiert und sein Name war mir in jungen Jahren völlig unbekannt.
Was habe ich da versäumt. Welch ein Erlebnis hätte es für mich sein können mit Ernst Pagels eine Tasse Friesentee zu trinken? Es wäre unvergesslich gewesen.

Ihm zu Ehren gab es im August das „Ernst Pagels Symposium“ in Papenburg. Veranstaltet wurde es von der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur. Ein engagiertes Planungsteam beschäftigte sich intensiv mit dem Mensch und Gärtner Ernst Pagels, seinem Wirken und seinem Vermächtnis.
Und allen Unkenrufen zum Trotz war es ein überwältigender Erfolg. Über 400 Teilnehmer, die alle begeistert waren. Am Samstag gab es Vorträge und vor allem persönliche Erzählungen über Begegnungen mit Ernst Pagels. Am Sonntag ging es mit 7 Bussen auf verschieden Exkursionen. Alles wunderbar organisiert. Über alles hier zu schreiben würde den Rahmen sprengen. Für mich waren die persönlichen Erlebnisse am wichtigsten. Sie haben mich berührt und auch zu Tränen gerührt.

Heike Siconi vom Gartenradio führte uns lebendig und mit viel Gefühl durch den ersten Tag. Ihr Erkennungszeichen war der Originalstab von Ernst Pagels. Dazu hat sie uns auch gleich eine kleine Geschichte erzählt:

Ernst Pagels ging auch im hohen Alter oft durch seine alte Gärtnerei. Nachdem er einmal dabei gestürzt war, bat er seinem langjährigen Begleiter, Issa Osman aus Ghana, ihm einen Stock zu besorgen. Aber bitte keinen normalen Gehstock!! Also besorgte Issa ihm einen langen Holzstab, der grün angestrichen wurde und mit einer roten Spirale verziert war. Fort an sah man Ernst Pagels immer mit diesem Stab.

Foto: Förderverein Ernst Pagel`s Garten e.V.

Über Ernst Pagels gibt es viel zu erzählen. Angelika Traub und Anje Peters-Reimann nahmen uns mit in sein Leben.
1913 wurde er in der Nähe von Lübeck geboren. Seine Eltern hatten dort eine Kunst- und Handelsgärtnerei gegründet. Der Beginn des 1. Weltkrieges zerstörte, wie auch in so vielen anderen Familien, das kleine Glück. Der Vater starb zu Beginn des Krieges. Seine Mutter ging mit der älteren Schwester zurück nach Leer und der kleine Ernst kam mit 1,5 Jahren zu seinen Großeltern nach Mecklenburg-Vorpommern. Dort verlebte er wunderbare Jahre, die ihm sicher Kraft gaben für sein ganzes Leben. Der Garten seiner Großmutter war sein Paradies. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1923 wuchs er dort behütet auf.
Dann musste er zurück nach Leer zu seiner Mutter, Schwester und den „anderen Großeltern“. Für den 10 jährigen sensiblen Jungen begann eine schwere Zeit. Mecklenburger Platt war ganz anders als Ostfriesen Platt. Wir können uns sicher alle vorstellen, das die Klassenkameraden es ihm nicht leicht gemacht haben. Dazu kam ein lauter, cholerischer Großvater und eine lebensuntüchtige Mutter.
Aber wäre Ernst Pagels so geworden wie er war, wenn immer alles glatt gelaufen wäre?
Gegen alle Widerstände begann er 1928, im Alter von 15 Jahren, eine Gärtnerlehre. Das war sein Traumberuf und nichts konnte ihn davon abhalten…… das kann ich sehr gut verstehen.
In seinem Lehrbetrieb hörte er zum ersten Mal von Karl Foerster, dem „Staudenpapst“ aus Potsdam-Bornim. Zufällig entdeckte er Foerster`s Zeitschrift „Gartenschönheit“. Da war es um ihn geschehen.

Botanisieren bei Karl Foerster – Foto: Förderverein Ernst Pagels`Garten

Stauden sollten sein weiteres Leben bestimmen. Sein großer Wunsch war es bei Karl Foerster zu arbeiten. 1937 bis zum Ausbruch des 2.Weltkrieges erfüllte sich dieser Traum. Karl Foerster wurde sein Mentor und es entstand eine Freundschaft, die bis zum Tod von Karl Foerster im Jahr 1970 Bestand hatte.


Nach dem Krieg und Kriegsgefangenschaft gründete Ernst Pagels 1949 in Leer seine eigene Gärtnerei. Erst wurde Gemüse produziert, schließlich mussten die Menschen erstmal satt werden.
Aber dann stellte er auf Stauden, Gartenplanung und Gartengestaltung um – wie sein Mentor Karl Foerster. Und sein züchterisches Schaffen nahm seinen Anfang.


Gerhard Mühring berichte von seinen Erlebnissen mit Ernst Pagels, den er, als junger Mensch, kennen lernte. Er hat das gesamte Pagelssortiment übernommen und in seiner Staudengärtnerei weiterkultiviert.

Besonders beeindruckt hat mich dabei Ernst Naschke, ein 93 jähriger Gärtnermeister mit einer bewundernswerten Energie. Auf dem Gelände seiner alten Gärtnerei in Papenburg hat er einen Naturgarten angelegt, der öffentlich zugänglich ist. Er kam zu Gerhard Mühring mit auf die Bühne und erzählte von seinen Begegnungen mit Ernst Pagels und Karl Foerster.

Das gehört zur Geschichte des deutschen Gartenbaus. Und so etwas finden wir auch hier bei uns, nicht nur in England.

Gerhard Mühring erzählte die Geschichte von Salvia nemerosa „Ostfriesland“. Sie war Ernst Pagels erste erfolgreiche Züchtung, eine Sorte, die immer noch fest zu unserem Staudensortiment gehört.

Von Karl Foerster bekam er eine Tüte mit Saatgut geschenkt und die Aufforderung: „Sieh zu, was du darin findest“. Ernst Pagels säte den Samen aus und fand dort einen violett blauen straffaufrechten Salbei, der ihm sehr gut gefiel. 1955 kam sie unter dem Namen „Ostfriesland“ in den Handel. Das war vor 67 Jahren!!!! Wie viele neue Staudensorten aus der heutigen Zeit werden das wohl schaffen?

Salvia nemerosa Sorten – historisches Foto – Foto: Förderverein Ernst Pagels`Garten e.v.

Ernst Pagels konzentrierte sich immer auf eine Staudengattung nach der anderen. Und niemals nahm er den Pinsel zur Bestäubung in die Hand. Das war nicht sein Ding. Er pflanzte unterschiedliche Sorten und Arten zusammen, erntete die Samen, säte aus und selektierte.
Genauso entstand auch meine Lieblingsachilea „Credo“. Er pflanzte einige Schafsgarben neben seine Wiese, auf der seine eigene Milchkuh graste. Auf der Wiese wuchs auch Achilea millefolium und durch ganz natürliche Bestäubung, Aussaat und Selektion fand er dann „Credo“ und viele andere schöne Achilea Sorten.
Zu vielen seiner Züchtungen gibt es spannende Geschichten zu erzählen.
Er hat 130 Stauden aus über 30 Staudenarten ausgelesen. Als ich die Liste gelesen habe, war ich echt erstaunt. An vielen Stauden konnte ich einen Haken setzten – „habe ich im Garten“ oder „verwende ich ganz oft“.

  • Epimedium x perralchicum „Frohnleiten“
  • Epimedium x warleyense „Orangekönigin“
  • Aruncus aesthusifolius-Hybride „Horatio“
  • Bergenia cordifolia „Eroica“
  • Geranium x cantabriense „Karmina“
  • Geranium sanguineum „Apfelblüte“
  • Phlomis tuberosa „Amazone“
  • Sedum telephinum „Karfunkelstein“
  • Stachys monieri „Hummelo“ – bekam den Namen, da er der Mentor von Piet Oudolf war

Und das sind nur einige aus seinem großen Sortiment.
Ernst Pagels hatte sehr großen Einfluss auf die Verwendung von Stauden. Ohne seine grandiosen Miscanthus Züchtungen wären die großen Pflanzungen, zb. von Piet Oudolf und Wolfgang Oehme, vielleicht nie so entstanden. Er war der erste Gärtner, der Miscanthus überhaupt zum Blühen brachte, und zwar im Gewächshaus. Das war ein kleine Sensation, denn ohne Blüten gab es keine neue Sorten.

Historisches Foto mit Piet Oudolf und Beth Chatto – Foto: Förderverein Ernst Pagel`s Garten e.V.

Ich glaube, das Ernst Pagel ein sehr besonderer Mensch war. Bescheiden und den Menschen zugewandt. Er hat sich wohl immer um Menschen gekümmert und wollte dafür aber nie gelobt werden. So wie er den ghanaischen Seemann Issa Osman bei sich aufnahm. Viele, viele Jahre verbrachten sie zusammen. Issa Osman hat Ernst Pagels bis zu seinem Tod gepflegt und mich wundert es nicht, das eine seiner schönsten Miscanthus Sorten „Ghana“ heißt.
Wer darüber noch mehr lesen möchte findet auf der HP der Staudengärnerei Gaissmayer ein Interview von Angelika Traub mit Dieter Gaissmayer – „Auf nach Ghana“

Jens Schachtschneider, Staudengärtner einer etwas anderen Produktionsrichtung, hat Ernst Pagels im Jahr 1980 kennengelernt. Ernst Pagels war sicher etwas verwundert einen Baumschullehrling zu treffen, der Gräser wie Briefmarken sammelte. Es entstand ein Kontakt, der bis zum Tode von Ernst Pagels anhielt. Auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren. Auf der einen Seite der Gärtner, der kultiviert und auf der anderen Seite der Gärtner, der produziert.
Der Vortrag von Jens Schachtschneider hat mir sehr gut gefallen. Er zeigte die unterschiedlichen Methoden auf wie neue Stauden gezüchtet werden. Und das nicht immer alles Neue besser ist als die alten Verfahren. Die Ansichten und Methoden von Ernst Pagels haben immer noch eine große Bedeutung.

Ich bin mir sicher, das Ernst Pagels vielen heutigen Züchtern die Leviten lesen würde. Für ihn stand immer die Gesundheit und Langlebigkeit seiner Pflanzen im Vordergrund. Den Hype mit Großstauden oder den unzähligen, neuen Echinacea Sorten, die keine 2 Jahre halten, hätte er nie mitgemacht. Keiner seiner Züchtungen hat er patentieren lassen und so auf etliche Einnahmen verzichtet. Er wollte, das alle seine Stauden vermehren und verbreiten dürfen. Aus Überzeugung hat er schon damals biologisch gearbeitet. Immer im Einklang mit der Natur.

Wenn er jetzt noch leben würde, glaube ich, wäre er für viele ein Vorbild und eine Lichtgestalt. Wobei er mit Sicherheit kein einfacher Mensch war. Waschechte Ostfriesen sind schon etwas anders als Emsländer oder Ammerländer.

Nach Jens Schachtschneider kamen noch viele andere tolle Referenten. Anja Birne, deren Herzensangelegenheit dieses Symposium war, hat hervorragende Referenten gefunden. Es wurde nie langweilig und blieb sehr spannend.

Und das schöne ist: alle Vorträge sind auf Youtube zu sehen. Ich habe die Vorträge verlinkt und die Referenten nochmal extra. Dann könnt ihr vielleicht noch mehr von dem Geist Ernst Pagels erspüren.

Leben und Biographie Ernst PagelsAngelika Traub und Anje Peters-Reimann
Ernst Pagels – Genialer Züchter und VisionärGerhard Mühring
Warum Ernst Pagels vielen heutigen Züchtern die Leviten lesen würdeJens Schachtschneider
Ernst Pagels und Beth ChattoPeter Janke
Wolfgang OehmeStefan Leppert
Struktur-Rhythmus- WeitePetra Pelz, gehalten von Hanne Roth
Individualismus statt UniformismusChristian Kreß
Wilde Wiesen Joachim Hegmann

Wie ging es mit seiner Gärtnerei weiter? Das erzähle ich euch in einem weiteren Beitrag. Denn am 2. Tag des Symposium gab es verschieden Exkursionen. Da habe ich unvergessliche Stunden im Ernst Pagels`Garten erlebt.

Wir kleinen Gartenmenschen
haben ja wohl nicht die Möglichkeit
den desolaten Zustand der Welt zu verändern.
Aber die kleine Möglichkeit,
der zunehmenden Zerstörung und Hässlichkeit
die Schönheit unserer Pflanzen entgegenzusetzten
ist uns gegeben.
Wenn wir Gärtner unsere Arbeit und Aufgabe so sehen
können wir tiefe Freude an unserem Beruf empfangen
und vielleicht doch die Welt
ein ganz klein wenig verändern und heilen.

Ernst Pagels
Foto: Förderverein Ernst Pagels`Garten e.V.

One Comment

  • Annate Crone

    Sehr geehrte Frau Gerlach,
    Ihr so fachkundiger wie feinfühliger Bericht über das Pagelssymposium war eine große Freude für mich!
    Mit herzlichen Grüßen
    Annate Crone, Leer

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